Was ist Geschlecht überhaupt?

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FAQ YOU Team

Geschlecht teilt Menschen oft in zwei Kategorien: männlich und weiblich. Bestimmt wird das Geschlecht einer Person bei der Geburt basierend auf den sichtbaren Geschlechtsmerkmalen: Hat das Baby einen Penis, wird es als „männlich“ eingetragen; hat es eine Vulva, wird „weiblich“ vermerkt. Tatsächlich ist das aber gar nicht so einfach!

Geben die äußeren Geschlechtsmerkmale einen ersten Hinweis auf das Geschlecht des Kindes, sind sie schlussendlich nicht mit dem Geschlecht gleichzusetzen. Doch warum ist das so? Bei jeder Person setzt sich das Geschlecht aus einer Vielzahl von verschieden ausgeprägten Faktoren zusammen, die sich gegenseitig beeinflussen. Diese Faktoren lassen nicht immer klar in „männlich“ und „weiblich“ unterteilen, sondern haben ein breites Spektrum. Geschlecht ist daher weniger ein „entweder oder“, sondern jeder Mensch ist anders. Das bedeutet auch, dass man das Geschlecht einer Person nicht mit Gewissheit ansehen kann. 

 

Woraus setzt sich also Geschlecht zusammen? 

 

Zunächst einmal gibt es die biologischen Faktoren. Doch welche sind das? 

 

Chromosomen

Das erste Indiz für das Geschlecht einer Person sind die Geschlechtschromosomen. Diese bestehen in der Regel aus einem X-Chromosom und einem weiteren Chromosom, welches eher einem X oder einem Y ähnelt. Dabei wird ein Chromosomenpaar aus XY als männlich zugeordnet und XX als weiblich.
Manche Menschen haben Variationen in ihren Geschlechtschromosomen, die weder der XY noch der XX Kombination gleichen (z.B. nur X oder XXY). Diese Menschen zählen oft als „intersex.“ Basierend auf den Chromosomen entwickeln sich die weiteren Geschlechtsmerkmale.
 

 

Primäre Geschlechtsmerkmale

Die primären Geschlechtsmerkmale, die als erster Anhaltspunkt für das Geschlecht einer Person dienen, werden durch die Geschlechtschromosomen beeinflusst. Diese sind die Genitalien einer Person, also was jemand zwischen den Beinen hat. Danach wird zunächst auch entschieden, welches Geschlecht auf der Geburtsurkunde vermerkt wird.
Es kommt auch vor, dass ein Baby mit nicht klar „männlichen“ oder „weiblichen“ Geschlechtsteilen geboren wird. Babys, die bei der Geburt keine ausgebildeten Geschlechtsteile oder sowohl Hoden als auch Eierstöcke haben, werden auch häufig als „Intersexualität“ oder „intersex“ betitelt. Häufig entscheiden sich die Eltern dann welches Geschlecht vermerkt werden soll.
Manche intersex Babys werden kurz nach der Geburt an ihren Geschlechtsteilen operiert, damit diese eindeutig in die männlich/ weiblich Kategorie fallen. Diese Praxis ist allerdings in Deutschland mittlerweile verboten, da sie schlimme psychologische Folgen für den heranwachsenden Menschen mit sich ziehen kann. Damit wird der Person ihr Recht zur Selbstbestimmung genommen. Im Normalfall ist eine solche Operation nicht wichtig für die Gesundheit des Babys, sondern kann diese eher gefährden. 
 

 

Hormone

In der Pubertät fängt der Körper an Hormone zu produzieren. Dazu zählen Östrogen und Testosteron, die jeder Mensch in sich trägt, wenn auch in unterschiedlicher Menge. Die Geschlechtsteile bestimmen welche Hormone produziert werden. So sorgen die Hoden für eine vermehrte Testosteronproduktion und die Gebärmutter zum Beispiel für die Produktion von Östrogen.
Aus unterschiedlichen Gründen kann es zu hormonellen Variationen kommen, z.B. wenn eine Person Hoden hat, aber kein Testosteron aufnehmen kann. Dies fällt ebenfalls unter die Vielzahl von Intersex-Varianten. Hormone beeinflussen sowohl die Psyche als auch den Körper. Das Gehirn steht unter dem Einfluss der Hormone, wodurch Hormone einen direkten Einfluss auf die mentale Welt der Person haben. Es wurde sogar festgestellt, dass der Hormonspiegel im Mutterleib bereits die Entwicklung des Gehirns geschlechtsspezifisch beeinflusst.
 

 

Sekundäre Geschlechtsmerkmale 

Während der Pubertät bilden sich durch Hormone auch die sekundären Geschlechtsmerkmale aus. Darunter zählen zum Beispiel Brüste, Körperbehaarung und der Stimmbruch. Die körperlichen Veränderungen sind bei jeder Person durch die verschiedenen Hormonspiegel und Gene anders ausgeprägt. Testosteron sorgt für mehr Körperbehaarung und bei vielen auch einen Bart sowie den Stimmbruch. Östrogen führt zur Bildung von Brüsten und – bei Menschen mit Gebärmutter – zur Menstruation. 

 

Neben den biologischen Faktoren gibt es ebenfalls soziale Faktoren. Dazu zählen: 

 

Kultur und Geschlechterrollen

Manche Kulturen – so auch Deutschland - sind stark von dem Binärsystem von Geschlecht geprägt, welches Menschen in eine von zwei deutlich getrennten Kategorien steckt: „männlich“ und „weiblich.“ Die Grundannahme des Binärsystems ist, dass die beiden Geschlechter grundlegend verschieden sind.
Babies werden bei der Geburt anhand ihrer Geschlechtsteile in diese Kategorien eingeteilt, im späteren Leben werden Menschen dann Geschlechterrollen zugewiesen, die an Erwartungen der Gesellschaft geknüpft sind. Das bedeutet, dass von einem erwartet wird sich entsprechend der bestimmten Geschlechterrolle zu verhalten. So wird z.B. traditionell von Mädchen erwartet mit Puppen zu spielen und Gefühle zu zeigen und von Jungs mit Autos zu spielen und nicht zu weinen. Hier kannst du mehr über Geschlechterrollen lesen. 

 

In anderen Kulturen ist das anders: Manche Kulturen kennen mehr als zwei Geschlechter. So können Menschen, basierend auf ihrem Verhalten und Aussehen, in eine Vielzahl anderer Geschlechter-Kategorien fallen. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl Labels für Geschlechter, mit denen Menschen sich selber identifizieren. Die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht wird daher nicht nur von der Gesellschaft bestimmt, sondern von jeder Person basierend auf ihrer Geschlechtsidentität. 

 

Geschlechtsidentität

Im Alter von 3 bis 5 Jahren entwickelt sich in Kindern durch die Reifung des Gehirns ein Bewusstsein für ihr eigenes Geschlecht. Das bedeutet, dass sich Kinder bereits in diesem Alter einem Geschlecht zugehörig fühlen können.
Dieser Sinn für die eigene Geschlechtsidentität kann sich allerdings noch weiter entwickeln und sich zum Beispiel in der Pubertät deutlich machen. Häufig stimmt die Geschlechtsidentität einer Person überein mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde und auf welches damit die biologischen Faktoren hinweisen. Dies wird dann „cisgender“ bezeichnet. Wenn die Geschlechtsidentität einer Person nicht mit ihrem bei der Geburt zugewiesenem Geschlecht übereinstimmt, nennt man das „transgender“. Transgender umfasst also alle Menschen, die zu einem anderen sozialen Geschlecht gehören, als ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Die Geschlechtsidentität einer Person muss nicht in kulturelle Kategorien, wie z.B. das Binärsystem, passen, sondern richtet sich ausschließlich nach dem Empfinden der Person über das eigene Geschlecht.
 

 

Woran macht man also Geschlecht fest? 

 

Geschlecht ist ein großes Zusammenspiel aus variierenden biologischen und sozialen Faktoren, die sich im Laufe des Lebens ändern können. Dabei lassen sich nicht alle Menschen biologisch noch sozial deutlich einem der Geschlechter „männlich“ und „weiblich“ zuordnen. Jeder Mensch befindet sich also irgendwo auf dem Geschlechtsspektrum und niemandem kann man das Geschlecht mit Gewissheit ansehen.

Da jeder Mensch einen Sinn für sein eigenes Geschlecht hat, kann man das Geschlecht einer Person also an ihrer Geschlechtsidentität festmachen. So wird keine Person in keine Kategorie gesteckt, in der sie sich unwohl fühlt.