Rasieren zwischen den backen?

FY

FAQ YOU Team

Zugegeben – der mal diskret, mal aber auch sehr direkt formulierte Anspruch auf einen haarlosen weiblichen Körper ist nicht ganz unbemerkt an mir vorbei gegangen.

Selbst wenn ich mich, anders als manche Freundin von mir, nicht jeden Morgen mit meinem Rasierer auf unsicheres Terrain zwischen meinen Beinen begebe, empfinde ich ein gewisses Unwohlsein mich in keiner Regelmäßigkeit jedem Haar zu entledigen, das nicht auf meinem Kopf gewachsen ist.

Ich respektiere, ja vielleicht bewundere ich sogar die Frauen, die mit einer Selbstverständlichkeit und Selbstbewusstsein das Haar munter wachsen lassen und sich in ihrer Natürlichkeit dem World Wide Web präsentieren. Als ich das erste Mal einen Rasierer in der Hand hatte, gab es in meiner Welt aber niemanden, der das so gesehen hat. Dafür gab es umso mehr, die in der Sportumkleide ziemlich genau hingesehen haben, wenn auf fremden Beinen viel los war.


Doch auf mein viel belesenes, jüngeres ich sollte noch ein weiteres Rasur-Erwachen warten.

 

Ich bin etwa 16 Jahre alt als Feuchtgebiete von Charlotte Roche auf den Markt kommt. Es polarisiert, ist in aller Munde und auch auf dem Nachttisch meiner Mutter. Schon ein bisschen angefixt blättere ich durch ein paar Seiten und bleibe zufällig an genau einer Stelle hängen. Sie beschreibt sehr ausführlich, wie die Protagonistin sich beim Arschrasieren eine Analfissur zuzieht. Das ist ein feiner Riss oder Schnitt in der Haut und muss bei ihr operativ behandelt werden. Die sehr bildliche und umfassende Ausführung der gesamten Tortur brennen sich in mein Gedächtnis ein.

Ich muss das Buch kein zweites Mal in die Hand nehmen, um das hier 9 Jahre später in den Text einbauen zu können.

Ich bin immer noch 16 als ich mit meinen Freundinnen zusammensitze und wir eine neue Beziehung innerhalb der Gruppe ausschlachten. Wir sind da sehr offen miteinander, ein völlig gewöhnlicher Samstagabend. Bei der Stelle, wo sie von dem gescheiterten Versuch Analsex zu haben berichtet, verliert das Gespräch an Stringenz und schlägt eine neue Richtung ein.

Auf einmal geht es ums Rasieren und ob sie die Einzige sei, die noch keinen besseren Weg gefunden habe, als in akrobatischer Verbiegung die Rasierklinge rund um das Arschloch zu führen. Ich stocke.

 

Moment – is that a thing? Zwischen den Pobacken rasieren?

 

Meine Irritation scheint nicht aufzufallen und vor allem eins: nicht geteilt zu werden. Fast in einer Erleichterung lacht der Rest gemeinsam darüber, dass es wirklich keine ästhetische Möglichkeit gäbe, diese Haare da unten loszuwerden. Ich bin abgehängt. Menschen machen das? Es war nicht so, dass ich mich aktiv DAGEGEN entschieden hätte, mein Arschloch zu rasieren. Es war mir einfach nicht in den SINN gekommen, das zu tun. Und in keiner der zig Bravo Zeitschriften, die ich mir selbstverständlich reingezogen habe, ohne das je zugeben zu wollen, habe ich jemals eine Anleitung gelesen, wie das gehen soll.

Ich greife mir verstohlen in die Hose und wühle mich an meinem String vorbei. Viel ist da jetzt nicht. Und doch muss ich zugeben: noch später am Abend stehe ich etwas ratlos vor dem Spiegel und in einer olympischen Meisterleistung verliert mein Arschloch seine natürliche Unberührtheit.

Es ist einige Jahre später. Spätestens seit dem Moment, wo das erste Mal ein Partner unerwartet aber voller Hingabe mit der Zunge an anderen Stellen meines Intimbereiches unterwegs war, ist das Arschlochrasieren Teil meiner Gewohnheit geworden.

Und noch heute stehe ich in der Dusche, vollführe wahre Kunststücke der Körperverbiegung und bin angetrieben von der Angst, dass mir diese Analfissur ja nicht selbst passieren möge. Denn wer sich schon mal an dieser Stelle rasiert hat weiß, das ist eine heikle Angelegenheit.
Trotz also vieler Dr. Sommer Ratschläge und Stunden an Gespräch mit meinen Freundinnen, ist das für mich die Wahrheit, die ich kenne.

 

Ich sitze mit einer Freundin zusammen, mit der ich einen ähnlich offenen Umgang pflege. Ich rutsche auf dem Stuhl umher, es ist der Moment einige Tage nach der Rasur, wo die Haare beginnen nachzuwachsen und man sich selbst verflucht, sie überhaupt erst losgeworden zu sein. Das Thema kommt auf den Tisch. Mit dem Verständnis, dass diese Situation allseits bekannt ist, mache ich einen selbstironischen Kommentar.

 

„Bist du bescheuert?“

 

Fragt sie. Wer rasiere sich denn das Arschloch – das ist ja unmenschlich, wenn dann die Pobacken aneinander reiben. Bei der Frage, ob ihr das mit einem Partner nie unangenehm gewesen sei, blickt sie mich nur merkwürdig an.
Ich könnte jetzt lange ausholen, aber wäre mein Leben eine Soap, dann hätten mein 16-Jähriges und mein Jetzt-Ich die dritte Ebene durchbrochen und einen Blick miteinander getauscht, den man heute als „done“ bezeichnen würde.

 

Zugegeben habe ich die Tatsache, dass „man das eben macht“, nie wieder hinterfragt. Auch nach Jahren der Rasur hat sich daran nichts geändert. Das Gefühl von damals, eine angeblich allgemeingültige Regel des Rasierens nicht gekannt und angewandt zu haben, muss sich sehr tief eingebrannt haben.
Heute gibt es das Internet und die Möglichkeit jede Frage, die man hat, in den weiten Raum zu schießen und mehr als eine Antwort zu bekommen. Oder eben auch Antworten zu Fragen, die man gar nicht mal gestellt hat. Heute ist es einfacher, sich eine Meinung zu bilden und zu verstehen, welches Richtig eigentlich zu einem selbst passt.


Und weil du gewiss auch eine Antwort zu der Frage haben möchtest, ob du dir das Arschloch rasieren musst oder nicht:

 

Ganz ehrlich – do your thing.

 

Ich bin mir sicher, dass dir verschiedene Personen oder Websites unterschiedliche Antworten geben. Doch wenn dieser Text für dich das ist, was Feuchtgebiete damals für mich war, dann bleibt hoffentlich folgendes hängen: Wenn du dich rasiert wohler fühlst, do it. Wenn du kein Bock drauf hast, steh dazu. Alles kann, nichts muss. Es ist dein Körper und da gibt es kein allgemeingültiges richtig oder falsch. So einfach ist das.