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Valerie Herrmann

Horny und kein Gummi? Wieso ihr trotzdem nie die Geilheit siegen lassen solltet (aka: Nur ein Dummi macht’s ohne Gummi)! 

Folgendes Szenario: Du und die Person deiner Begierde seid nach einem gelungenen Abend und dem ein oder anderem Bierchen zu viel mit verkeilten Gliedmaßen in ein leidenschaftliches Zungenwrestlingmatch vertieft. Kurz bevor ihr das Ganze in die südlicheren Körperregionen verlegen wollt, fällt dir siedend heiß ein, dass du keine Kondome mehr hast. Scheiße. Außer Atem fragst du deinen Kampfpartner danach, aber auch er hat den Abend nicht so kommen sehen (wortwörtlich) und daher keine Gummis dabei. Aber hey, er hat „eh nix“ und sich vor Kurzem erst testen lassen. Na dann, let’s go.

 

So schnell passiert da doch eh nichts, oder? 

 

Leider doch. Schon bei einmaligen Sex - auch beim Oralsex - kannst du dir sexuell übertragbare Krankheiten (und davon gibt’s viele), die teils unheilbar, lebenslang und sogar lebensgefährlich sein können, holen.

 

Das wissen die meisten von uns eigentlich auch. Genauso wie wir wissen, dass das Kondom die einzige Verhütungsmethode (neben dem Femidom) ist, die beim Geschlechtsverkehr vor sexuell übertragbaren Krankheiten schützt. Trotzdem verhüten die wenigsten sexuell Aktiven von uns wirklich jedes Mal mit Kondom oder haben in der Vergangenheit schon das ein oder andere Mal darauf verzichtet. But why? Für diese Nachsichtigkeit gibt es verschiedene Gründe. 

 

Ein simpler: Wir sind nicht tiefgreifend genug aufgeklärt. 

 

Zwar haben wir fast alle in der Schule Sexualkundeunterricht gehabt, aber bei wie vielen von uns hat es sich wirklich um wirklich gute und effektive Aufklärung gehandelt?

 

Mal abgesehen davon, dass Teenager und Teenagerinnen selten die reifsten und aufnahmefähigsten Geschöpfe sind, ist der Sexualkundeunterricht in Deutschland oft trocken, medizinisch und meistens nicht auf Augenhöhe gestaltet. Mehr als eine vage Erinnerung an z.B. den Aufbau des weiblichen Reproduktionssystems, bleibt da häufig nicht zurück. So bleibt die Aufklärung häufig Freunden oder Freundinnen, Google und anderen Medien überlassen. Das ist keineswegs zu verteufeln (wir bei FAQ YOU sind ja selbst Teil davon), aber in vielen Fällen sind die Informationen, die wir bekommen, nicht vollständig oder fehlerhaft. 

 

Eure Biolehrerkräfte haben aber leider nicht gelogen, als sie über die teils schwerwiegenden Folgen von STIs gesprochen haben. Häufig haben wir die Fakten aber nicht alarmierend genug abgespeichert. Wenn ihr euch also bei Gedanken wie „so schlimm kann’s nicht sein, meine Freunde und Freundinnen haben alle ohne Kondome Sex“, „Ich zieh ihn doch eh immer raus“ oder „Ich kenn niemanden mit HIV“ ertappt, klickt euch doch mal durch unsere Artikel und holt euch ein paar mehr Infos ab. Nicht nur für euch, sondern auch für eure Sexualpartner und -partnerinnen. 

Aber mein Partner will nicht. 


Letztere sind übrigens häufig ein weiterer, signifikanter Grund, weswegen manche auf ein Kondom verzichten. Vielleicht wart ihr selbst schon in Situationen, in denen ihr von eurem Sexualpartner (wir gehen zunächst von demjenigen aus, der das Kondom tragen muss) überredet oder sogar gedrängt wurdet, keines zu benutzen. Ausreden wie „da spür ich nichts“, „mir sind Kondome zu eng“ oder die im ersten Absatz erwähnten Versicherungen, dass man ja ohnehin gesund sei, sind so alt wie sie lame sind.  

 

Zu eng? In ein Kondom passt ein ganzer Unterarm. So groß kann er nicht sein. Vielleicht nutzt du die Falschen, aber es gibt für jeden Penis das passende Kondom - safe!

 

Du spürst nichts? Kondome haben im Durchschnitt eine Dicke von 0,06 mm. Probier’s aus: Leg dir ein Kondom um den Finger und fass dich an verschiedenen Köperstellen damit an. Der Unterschied ist minimal. Außerdem gibt es extra-dünne Kondome für mehr Gefühl, andere haben stimulierende Beschichtungen für zusätzliche Sensitivität. Natürlich ist es nicht dasselbe Gefühl wie Haut auf Haut, aber die Kosten-Nutzen-Rechnung geht nicht auf, nur aus haptischen Gründen keines zu nutzen. 

Du weißt vielleicht nicht, wen du vor dir hast. 

 
Sexuelle Vorlieben zu haben, ist vollkommen okay, solange niemand zu Schaden kommt. Es gibt jedoch Fetische, die das potentiell tun können. Manche Frauen haben beispielsweise einen sogenannten „Breeding-Fetisch“, werden also dadurch angeturnt, mit dem Risiko einer Schwangerschaft zu spielen, selbst wenn kein echter Kinderwunsch da ist.

 

In der Schwulenszene wiederum gibt es vereinzelt Menschen, die danach suchen, „gepozzt“ zu werden, sich also absichtlich mit HIV zu infizieren. Beide Beispiele sind natürlich Extreme, aber insbesondere bei One Night Stands oder anderen casual Sexgeschichten weißt du nicht genau, mit wem du es zu tun hast. Deshalb sollte es dir auch nie genug sein, wenn dir jemand versichert, dass er gesund ist.  

 

Ich bin doch sicher gesund. 


Viele Personen tragen Viren unbemerkt in sich. 7 von 10 Menschen sind mit HPV infiziert und wissen gar nichts davon. Das liegt daran, dass häufig keine oder erst spät Symptome auftreten. Selbst vor dem ersten Sex kann man bereits mit HPV infiziert sein, da das Virus zum Beispiel bei der Geburt übertragen werden dann. Also auch, wenn beide Personen gerade das erste Mal miteinander erleben, kann etwas passieren. Und dann läufst du am Ende dein Leben lang mit einem Virus herum, das im schlimmsten Fall Krebs versuchen kann.

 

Falls dich jemand überreden oder drängen möchte kein Gummi zu benutzen, bitte zeige der Person den Ausgang. Denn was sagt es über sie aus, wenn sie deinem und ihrem Körper so wenig Respekt zollt? 

 

Vorsicht ist besser als Nachsicht! 

 

Diesen Respekt solltest du dir selbst ebenso immer entgegenbringen. Und nicht nur deinem Körper, sondern auch deiner Psyche. Denn: Boy oh boy, es ist absolut kein Spaß (außer vielleicht für Menschen mit Breeding-Fetisch) mit Panik auf ein Testergebnis – oder die nächste Periode! - zu warten. Das kann nicht nur die eigene Psyche, sondern auch die Beziehung zur anderen Person enorm belasten.

 

Die Reue, Sorge, Scham, Wut und all die anderen wunderbaren Gefühle, die oft Nebenprodukt von ungeschütztem Sex sind, sind ein paar Minuten der Ekstase wirklich nicht wert. Und: Wenn du gesund geblieben bist, sich aber die Angst vor einer Schwangerschaft bestätigt hat, beginnt ein noch wesentlich herausfordernderes Kapitel. Dann stehst du, beziehungsweise steht ihr, vor schwierigen Entscheidungen, die euch mit einer sehr simplen – Kondom benutzen – erspart geblieben wären. 

Fazit 

 

Klar: Im Moment der absoluten Horniness ist häufig mal alles, was wir rational wissen, vergessen und wir gehen nach dem „Mir wird’s schon nicht passieren“-Prinzip. Die Hormone, die kurz und während des Sex durch unseren Körper wallen, schieben alles außer dem Einen aus dem Kopf.

 

Evolutionstechnisch, beziehungsweise biologisch, ergibt das natürlich auch Sinn. Wieso sollte in einem Organismus, der sich eigentlich nur fortpflanzen möchte, ein „Achtung, jetzt das Kondom!“-Schalter eingebaut sein. Damit hat Mutter Natur damals nicht gerechnet. Aber wir leben nun mal im 21. Jahrhundert und haben andere Prioritäten als die Reproduktion. Gesundheit sollte eine der Obersten sein. 

 

Es gibt viele Gründe dafür kein Kondom zu benutzen, aber ganz rigoros: Keiner ist gut genug. Und wenn ihr mal kein Gummi bei der Hand habt und der Verzicht im Moment der Lust zu groß wird: Ihr müsst ja nicht gleich in die Vollen gehen. Masturbiert voreinander und denkt nach dem Orgasmus noch einmal darüber nach. Wirkt Wunder. Wenn ihr danach immer noch unter Strom steht, müsst ihr eben nochmal an die Tanke. Wie gesagt: Wir leben zum Glück im 21. Jahrhundert. No excuses.