Eli - eine binäre nicht-binäre Person

Interview: Lumen Nguyen
Lesedauer: 6 Minuten
E

Eli

Für ihre Abschlussarbeit an der HAW Hamburg entschied Lumen Nguyen sich dazu, einen Film zum Thema Transidentität zu machen, der im Gegensatz zu den meisten Dokumentationen in diesem Bereich ohne voyeuristischen Aspekt auskommt. In ihrem Film geht es um individuelle Entwicklung, Glaubwürdigkeit und die kleinen, alltäglichen Epiphanien, die völlig außerhalb der Lebenswelt von Cis-Menschen liegen. 5 Jahre nach dem Film spricht Lumen im Interview mit Eli darüber, wie seine Geschichte weiterging – und weitergeht.

Diesen Film haben wir 2017 zusammen gedreht. Wie ist es dir seitdem ergangen?

E:     Die letzten 5 Jahre waren schon eine sehr turbulente Zeit für mich. Insbesondere, was meine eigene Geschlechtsidentität angeht. Ich habe seither einige Phasen durchlaufen. Im Jahr 2018 habe ich wieder eine Weile als Frau gelebt, inzwischen bin ich zu meiner Nicht-Binärität zurückgekehrt. Jetzt gerade würde ich sogar sagen, dass ich als Mann lebe, ein Mann bin. Bei mir scheint es irgendwie doch immer diese beiden Pole zu geben – Frau und Mann. Manchmal scherze ich, dass ich wohl eine binäre nicht-binäre Person bin. Ich bin also eine Frau oder ein Mann – und das wechselt immer wieder.

 

Was bedeutet nicht-binär für dich? 

E:    Mein Geschlecht sind eigentlich zwei Geschlechter. Es gibt immer einen Teil von mir, der Frau ist, und einen Teil, der Mann ist. Damit umzugehen ist nicht leicht, weil die Gesellschaft dafür nicht sehr offen ist. Aber so sieht es nun einmal in mir aus. Wie ich es im Laufe meines Lebens nach außen hin lebe –  das kann sich immer wieder ändern.

 

Wie bist du zu dem Entschluss gekommen, eine Detransition von Mann zurück zu Frau vorzunehmen ?

E:    Als wir uns 2016 kennengelernt haben, da hatte ich im Prinzip schon damit angefangen. Das war ein schleichender Prozess bei mir, keine plötzliche Entscheidung über Nacht. Ich bin nicht aufgewacht und habe dann gesagt, jetzt muss ich es so oder so machen. Ich bin da eher hineingewachsen. Es war ein langsames Herantasten in kleineren Schritten, von denen manche auch dieselben wie bei einer klassischen Transition sind. Ich habe mir zum Beispiel die Gesichtsbehaarung lasern lassen, so wie trans* Frauen das machen. Das war für mich ein vorsichtiges Ausprobieren, wie es ist, sozial als Frau zu leben. Dann kamen etliche rechtliche Schritte und am Ende ist alles quasi von selbst in diese Richtung gegangen.

Und wie kam es dann von diesem Entschluss, wieder als Frau zu leben, zurück zu einem Leben als Mann? 

E:     Das war noch schwieriger. Ich hatte schon länger gespürt, dass ich auch in dem Leben als Frau nicht alles habe und sein kann, was ich mir vorstelle. Der Mensch, der ich bin, der hat noch eine andere Seite. Genauso wie bei der ersten Transition, als ich versucht habe nur als Mann zu leben, hatte ich das Gefühl, dass ich etwas vermisse. Und ich hatte wirklich große Schwierigkeiten mir das einzugestehen, auch wegen einiger sozialer Schwierigkeiten, die damit einhergehen. Ich kann nie sagen, wann für mich die nächste Phase  anfängt, oder als was ich in fünf Jahren leben werde. Aber diese Phasen entwickeln sich immer eher langsam.  

 

Du meintest mal, die eigene Stimme sei irgendwie auch ein Weg zur „Selbstoffenbarung“ – wie geht es dir heute mit deiner Stimme?

E:     Das kann ich nach wie vor so unterschreiben, Stimme ist etwas Mächtiges, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Seit ungefähr einem Jahr mache ich deshalb auch logopädisches Stimmtraining. Die Logopädin hat mir sehr dabei geholfen, meine Stimme bewusst einzusetzen und insgesamt selbstsicherer zu sein. Ich habe einen sogenannten Sprechberuf; durch meinen Aktivismus aber auch durch meine Tätigkeit im Museum, wo ich Führungen leite. Ich arbeite also mit meiner Stimme und musste mir deshalb angewöhnen viel zu sprechen und einen gewissen Redefluss zu haben. Das kann man lernen. Allerdings habe ich manchmal, wenn ich meine Stimme höre, dennoch das Gefühl, dass sie fremd klingt. Und dann kann es sein, dass sie sich plötzlich wieder richtig anhört und dass ich finde, sie passt irgendwie zu mir. 

 

Deine Stimme ist nicht das einzige, was du bei deiner ersten Transition dauerhaft verändert hast. Wie stehst du heute zu deiner Mastektomie – würdest du es wieder tun?

E:     Es gab ein paar Momente, in denen ich das bereut habe oder negative Gefühle deswegen habe – aber nicht viele.  Allerdings habe ich schon ein Bewusstsein dafür, dass mein Körper verändert – operativ verändert – ist. Aber ich hatte zum Beispiel nie Probleme, auch mit flacher Brust als Frau zu leben. Außer vielleicht, dass ich schwierig Kleidung finden konnte. Kleider, die eng anliegen, saßen bei mir immer sehr schlecht. Das war eigentlich das einzige Problem. Und als Mann habe ich natürlich sowieso kein Problem mit meiner flachen Brust. Da habe ich sogar eher das Gefühl, dass mein Brustkorb an sich viel zu klein ist. Aber inzwischen habe ich gelernt, auch das zu akzeptieren.

 

Fühlst du dich nach deiner bisherigen Reise so, als seist du bei dir selbst angekommen?

E:     Ich denke ja. Eigentlich kann kein Mensch dauerhaft und hundertprozentig er selbst sein, weil die Persönlichkeit sich permanent verändert. Vollkommene Authentizität scheint mir sowieso ein Ideal zu sein, das niemand erreichen kann. Aber insgesamt bin ich mit den Entscheidungen, die ich in meinem Leben getroffen habe, auf einem guten Weg. Und damit meine ich alle, die ich getroffen habe, und definitiv nicht nur die TransitionsEntscheidungen.